Was der öffentliche Dienst tun kann, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen

Dieser Artikel verdeutlicht die Auswirkungen des Fachkräftemangels im öffentlichen Dienst und untersucht mögliche Lösungswege.

Der öffentliche Dienst ist mit fast fünf Millionen Arbeitnehmer:Innen der größter Arbeitgeber Deutschlands (Statistisches Bundesamt). Der umfasst selbstverständlich sehr unterschiedliche Bereiche. Eine Studie von pwc ergab, dass in diesem Sektor bis zum Jahr 2030 eine Million Fachkräfte fehlen werden und dadurch viele öffentliche Aufgaben voraussichtlich nicht mehr erfüllt werden können. Die Folgen sind gravierend, wenn nicht schnellstmöglich gehandelt wird. Warum sollte es auch den öffentlichen Institutionen besser gehen als der Privatwirtschaft? Immer mehr geburtenstarke Jahrgänge wandern in den Ruhestand und weniger junge Menschen rücken in das Berufsleben nach. Somit gibt es branchenübergreifend nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte, um alle verfügbaren Stellen zu besetzen.

Politik muss schneller und zielgerichtet handeln

Die Politik arbeitet aktiv an vielen Fronten gegen den allgemeinen Fachkräftemangel. Experten fordern dabei jedoch noch mehr zielgerichtete Schnelligkeit. Hier gibt es zahlreiche Anregungen

in der ausländischen Fachkräfteeinwanderung für

  • unkomplizierte Antrags- und Verwaltungswege für Unternehmen,
  • eine vereinfachte Anerkennung der beruflichen Qualifizierung,
  • mehr Zuwanderung aus Drittländern, da die EU Zuwanderung stagniert und sich bisher auf studierte Fachkräfte fokussierte.

in der Bildungspolitik für

  • eine Gleichstellung von Berufen mit Studium und ohne Studium (zumal die Quote der Studienabbrecher bei über 25 % liegt!).

in der Frauenförderung für

  • den Abbau der Teilzeitfallen (über 50% der erwerbstätigen Frauen)
  • eine Reform des Ehegattensplittings und der Minijobs
  • die Investitionen in Kitas und Schulen.

Das zügige politische Handeln ist ein Muss. Denn fehlt die kollektive Infrastruktur durch Personalmangel in Bereichen des Gemeinwohls und der Dienstleistungen wie Gesundheit, Bildung, Sicherheit, Verkehr etc. ist ein Chaos vorprogrammiert, wie jüngst bei der Deutschen Bahn im Personenverkehr. Oder ländliche Wirtschaftsregionen wie z.B. Südwestfalen drohen regelrecht auszusterben, da diese immer unattraktiver für Fachkräfte werden. Eine einzige marode Brücke und deren Sperrung an der A45 in Lüdenscheid verschärfen und verdeutlichen diese Gefahr. Oder wir warten ggf. vergeblich auf eine lebensrettende Operation in eines der hoffnungslos überlasteten Krankenhäusern…

Die Politik kann jedoch nicht alleine die Weichen umstellen. Welche effektiven Maßnahmen müssen zusätzlich einzelne öffentliche Institutionen selbst treffen, um die Fachkräftesicherung zu beflügeln?

Ein Verstaubtes Image loswerden

Öffentliche Verwaltungen und Organisationen haben es nicht einfach. Sie werden in der Öffentlichkeit oft (zu Unrecht) als muffig, schwerfällig und streng bürokratisch wahrgenommen. Niedrigere Gehälter, geringere Aufstiegsmöglichkeiten als im privaten Sektor runden das miese Image ab. Dies macht es sehr schwierig, talentierte Mitarbeiter anzuwerben oder gar zu halten. Folglich müssen sie noch mehr als privatwirtschaftliche Unternehmen beweisen, wie gut sie sind, um Menschen für sich zu gewinnen. Dabei bietet der öffentliche Dienst vielfältige und interessante Tätigkeiten sowie Ausbildungsmöglichkeiten. Und das genau in den Bereichen, die die Generation Z bzw. Post-Millenials (1997 bis 2012) laut einem Trendreport suchen:

  • 72 % wollen einen Sinn in ihrer Arbeit sehen,
  • 68 % wollen einen sicheren Arbeitsplatz,
  • 68 % möchten einen Beruf ausüben, bei dem sie gebraucht werden,
  • 36 % möchten einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Wo sind jedoch all die potenziellen Fachkräfte in den medizinischen, pflegerischen oder erzieherischen Bereichen – zumal öffentliche Arbeitgeber sicherere Arbeitsplätze bieten als in vielen anderen Branchen, wie die aktuelle Corona Krise zeigt?

Dabei gibt es richtig gute Initiativen, die alles andere als öde sind und gegen das schlechte Image steuern: So z.B. Work4Germany | DigitalService (bund.de) Dies ist ein Fellowship-Programm des Bundes, um Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Hintergründen aus der Privatwirtschaft mit Mitarbeiter:Innen des Bundes zusammenzubringen, die das Gleiche wollen – eine moderne Verwaltung in Deutschland mit moderner Projektarbeit und Arbeitsweise. Leider sind gerade solche Aktionen noch viel zu wenig bekannt.

Und genau diese Vielfalt der Entwicklungen und die Vorzüge von Berufen in den einzelnen Institutionen sollten noch viel stärker nach außen getragen werden. Eine darauf sorgfältig abgestimmte Kommunikationsstrategie steigert die Attraktivität in diesem Bereich. Sie bildet einen wesentlichen Schlüssel, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Mit digitalen Recruitingmethoden potenzielle Bewerber:Innen direkt und schnell ansprechen

Der traditionelle Recruitingprozess mit Schaltung einer Anzeige in der Presse oder auf Jobportalen funktioniert heute häufig nicht mehr. Und trotzdem findet man gerade in kleineren Kommunen immer wieder Stellenanzeigen in den lokalen Tageszeitungen. Die meisten und oft besten potenziellen Kanditaten/Kandidatinnen sind allerdings heute passiv und nicht aktiv (lediglich 13%) auf der Jobsuche. Sie schauen somit gar nicht nach den klassischen Stellenanzeigen in Printmedien oder auf Jobportalen.

Dabei wären viele passende (und passive) Kandidaten/Kandidatinnen an einem spannenden Arbeitgeber durchaus interessiert (72 %). Folglich müssen jeweils passgenaue Strategien entwickelt werden, um genau diese Zielgruppe zu erreichen. 

Fakt ist, im Jahr 2021 belaufen sich die Anzahl der Smartphone-Nutzer in Deutschland auf 62,6 Millionen Menschen:

  • 94,2 % sind zwischen 14 und 19 Jahre alt,
  • 95,5 % sind zwischen 20- und 29 Jahre alt,
  • 96,0 % sind zwischen 30- bis 39 Jahre alt und
  • 68,0 % sind über 70 Jahre alt.

Die meisten Personen davon bewegen sich täglich mehrere Stunden auf Social-Media-Kanälen. Somit bieten Stellenanzeigen auf  Werbeplätzen von Social Media Kanälen unter der Berücksichtigung der  individuellen Wechselmotiven höheres Recruiting-Potenzial als auf den klassischen Kanälen. 

Flankierende Maßnahmen, mit denen über Umwege bei „passiv suchenden“ Fachkräften ein Jobwechselgedanke angestoßen wird, wie z.B. durch

  • Veröffentlichung interessanter Blogartikel aus dem Unternehmensbereich oder
  • zielgruppenansprechende Veranstaltungen wie Hackathons oder E-Sport-Games  

können in dem jeweiligen individuellen Geamtkonzept eine sinnvolle Unterstützung sein. 

Das digitale Recruiting besitzt den höchsten Stellenwert in der zielgruppengerechten Ansprache von potenziellen Bewerber:Innen. Mit der richtigen Motivansprache und Methode können über das Smartphone fast in Echtzeit potenzielle Mitarbeiter:Innen angesprochen werden. Damit kommt ein weiterer wesentlicher Faktor ins Spiel – nämlich Schnelligkeit. Während früher der Einstellungsprozess mehrere Wochen in Anspruch nahm, werden heute bereits innerhalb von 10 Tagen Verträge mit Wunschkandidaten/-kandidatinnen in großen Unternehmen abgeschlossen. Die Verschlankung der Recruitingwege sowie schnellere Vertragsabschlüsse sollten somit ebenfalls ein unbedingtes Ziel öffentlicher  Arbeitgeber werden.

Gute Mitarbeiter:Innen durch attraktive Arbeitgebermarke begeistern und halten

Die bestehenden Mitarbeiter:Innen sind das Rückgrat jeder erfolgreichen Organisation. Deshalb ist es so wichtig, alles zu tun, um die besten Mitarbeiter:Innen an sich zu binden, zumal es derzeit nicht einfach ist, neue zu finden! Welche besonderen Eigenschaften hat die eigene Organisation? Was sind die konkreten Pluspunkte, mit denen sie sich von anderen abhebt, mit denen sie vielleicht gerade um Talente konkurrieren? Wenn diese Stärken gemeinsam mit Führungskräften und Mitarbeitern gezielt bearbeitet werden, kann sich die Begeisterung erfahrungsgemäß schnell intern ausbreiten, was sich dann auch extern in der Qualität der Markenbotschafter widerspiegelt. Denn sie fördern den gezielten Gedanken, dass die Arbeit im öffentlichen Dienst sowohl erfüllend als auch lohnend sein kann. 

Klar, es werden in der Prozessentwicklung auch Baustellen auftauchen. Aber wo ist alles perfekt? Wenn grundsätzlich die Voraussetzungen stimmen für

  • ein positives und modernes Arbeitsumfeld, in dem die Mitarbeiter:Innen das Gefühl haben, Teil eines Teams zu sein, dass mitgestalten kann
  • eine offene, ehrliche & schnelle Kommunikation,
  • Vorgesetzte, die sich als Mentoren und Förderer verstehen,
  • eine gewertschätzte Arbeit der Mitarbeiter:Innen,
  • eine zumindest konkurrenzfähige Entlohnung,
  • ein flexibilisiertes Arbeitszeitsystem, dass für die Organisation und Mitarbeiter:Innen auf Augenhöhe liegt,
  • persönliche Entwicklungsmöglichkeiten,  

ist ein sehr gutes Fundament für eine positive Arbeitgebermarke gelegt. Warum sollte ein/e Mitarbeiter:In wechseln, wenn diese Punkte erkennbar sind und alles auf einem guten Weg ist?

Das Know-How von Senior-Experten gezielt nutzen

Im Gesamtprozess der Mitarbeiterbindung können gerade auch ältere Mitarbeiter:Innen eine wichtige Rolle spielen. Das derzeitige Renten- und Pensions-System gibt noch einen starken Anreiz für die Menschen, vorzeitig in Rente zu gehen.  Beispielsweise könnte man den Menschen eine noch größere Wahl lassen, wann sie mit dem Bezug von Leistungen beginnen wollen, oder die Leistungen an die Anzahl der Dienstjahre und nicht an das Alter binden. Dies würde dazu beitragen, die Menschen zu ermutigen, länger im Berufsleben zu bleiben, und könnte so die Erfahrung und die Fähigkeiten älterer Arbeitnehmer besser nutzen.  

Eine moderne Personalentwicklung mit Talentmanagement einführen 

Innovative Weiterbildungs-Konzepte mit einer Mischung aus Training und Coaching, die auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter:Innen zugeschnitten sind und sie bei dem Kenntnisstand abholen, wo sie sich gerade befinden, ersetzen zunehmend veraltete Schulungsprogramme. Allerdings ist die Personalabteilung in der öffentlichen Verwaltung nicht immer unbedingt mit der Personalentwicklung in der Wirtschaft vergleichbar. (Und auch hier gibt es selbstverständlich große Unterschiede). Dabei wäre sie dort dringend nötig, um den Fortschritt zu ermöglichen.

Die Führungskraft und die Personalentwicklung spielen eine zunehmend wichtig Rolle als Mentoren und Förderer, die die Mitarbeiter:Innen positiv ermutigen, konkrete berufliche Ziele regelmäßig selbst zu entwickeln und  zu verfolgen. So wird es immer selbstverständlicher werden, sich kontinuierlich weiterzubilden. Die Etablierung einer Lernkultur ist notwendig, um allein mit der stetig fortschreitenden Digitalisierung Schritt halten zu können.

Um einen hohen Bindungsfaktor zu generieren, muss die Organisation sicherstellen, dass es Entwicklungspotenzial für die eigenen Mitarbeiter:Innen  gibt. Somit erhält auch das Talentmanagement im öffentlichen Bereich einen hohen Stellenwert, um die individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten der eigenen Mitarbeiter:Innen zu ermitteln und auszubauen.  Das kann viele Themen umfassen: von der Nachfolgeplanung über das Leistungsmanagement bis hin zu Schulung und Entwicklung. 

Mit Quereinstiegen den Eintritt in den öffentlichen Sektor erleichtern

Kann nur ein ausgebildete(r) Stadtinspektor:in bestimmte Tätigkeiten im öffentlichen Verwaltungsdienst erfüllen? Die Einstellung von erfahrenen Fachkräften außerhalb des öffentlichen Sektors kann ein effektiver Weg sein, um freie Stellen zu besetzen. Um dies zu erleichtern, sollten individuelle Personalentwicklungsprogramme für Quereinsteiger:Innen eingerichtet werden. Diese Programme können den Einsteiger:Innen helfen, die Erwartungen an ihre neue Rolle zu verstehen und die erforderlichen Fähigkeiten zu entwickeln. Darüber hinaus bieten diese Programme den Quereinsteiger:Innen beim Übergang in ihre neue Position Unterstützung. Der Quereinstieg kann jedoch auch eine Herausforderung darstellen, da er zu Ungleichheiten zwischen den Mitarbeiter:Innen führen kann. Es sollte daher sichergestellt werden, dass alle die Entscheidung verstehen und unterstützen, da einige das Gefühl haben könnten, dass ihr eigenes berufliches Fortkommen zu Unrecht behindert wurde.

Richtig vorbereitet, kann der Quereinstieg eine großartige Möglichkeit bieten, einer öffentlichen Organisation neues Leben einzuhauchen.

Fazit

Der öffentliche Dienst ist in vielen Hinsichten besser als sein Ruf. Es gibt spannende Initiativen wie z.B. Work4Germany seitens des Bundes und unzählige Beispiele für sinnerfüllende und spannende Berufe. Um eine positive Wirkung zu erreichen, müssen die jeweiligen individuellen Qualitäten einer Organisation zielgerichtet nach innen und für die Öffentlichkeit transparenter dargestellt und ausgebaut werden. Eine Employer Branding Strategie mit pragmatischen Tools, die einfach im Tagesgeschäft umzusetzen sind und die Führungskräfte und Mitarbeiter:Innen aktiv in den Prozess einbinden, bieten Quick-Wins sowie langfristige Erfolge für eine attraktive Arbeitgebermarke. 

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Susanne Macaluso
Geschäftsführerin
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Sabine Klinkenbusch
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